Verletzung der Schulpflicht keine Kindeswohlgefährdung

Das Oberlandesgericht Bamberg fällt am 22.11.2021 unter dem Aktenzeichen 2 UF 220/20 eine weitreichende Entscheidung: Die Verletzung der Schulpflicht stellt nach Auffassung des OLG nicht per se eine eine Kindeswohlgefährdung dar. Sogar die Richterin im Amtsgericht Herford äußerte beim Gerichtstermin, dass die Verletzung der Schulpflicht alleine keine Kindeswohlgefährdung begründet und für Sorgerechtsentzug und Inobhutnahme nicht ausreicht – und ordnete anschließend ein Sachverständigengutachten an, bei dem ASD Sabine O. Jugendamt Herford gemeinsam mit der Gutachterin „Kindeswohlgefährdungen“ nachlegen konnten. Wie, können Sie im Beitrag „ASD Sabine O. Jugendamt Herford“ nachlesen.

Verletzung der Schulpflicht – Kindeswohlgefährdung?

Die in Bayern wohnhaften Eltern haben sich im Jahr 2017 geweigert, ihr Kind in die Schule zu schicken. Das etwa 8 Jahre alte Kind war schulpflichtig. Das regional zuständige Jugendamt wandte sich an das Familiengericht, um eine Kindeswohlgefährdung zu melden.

Familiengericht erteilt Eltern Auflagen – Eltern gehen in Beschwerde

Offenbar erstreckte sich die Schulverweigerung bis ins Jahr 2020. Denn in diesem Jahr machte das Familiengericht den Eltern die Auflage, das Kind in die Schule zu schicken.

Dagegen gingen die Eltern in die Beschwerde, sodass das OLG Bamberg über die Verletzung der Schulpflicht zu urteilen hatte. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts stellt die Schulverweigerung nicht automatisch eine Kindeswohlgefährdung dar. Der Einzelfall sei zu prüfen.

OLG: Verletzung der Schulpflicht – Einzelfall ist zu prüfen

Das OLG prüfte den Einzelfall und kam nach Anhörung des inzwischen 12-jährigen Kindes zur Überzeugung, dass Kindeswohl nicht gefährdet sei. Ein Einschreiten nach § 1666 sei daher nicht zulässig.

Lockdowns: Staat verhindert Umsetzung der Schulpflicht

Interessant ist mit Hinblick auf dieses Urteil vom OLG Bamberg, dass der Staat während der Pandemie die Umsetzung der Schulpflicht verhindert hat, indem der Staat während der Lockdowns Präsenzunterricht verboten, damit den Kindern das Recht auf Bildung verweigert hat und darüber hinaus nur ungenügend Distanz-Unterricht stattgefunden hat.

Umso unverständlicher ist es, dass im Fall Kindesentzug Herford das Jugendamt in Zusammenarbeit mit Amtsgericht und Oberlandesgericht Hamm drei Kinder in Obhut genommen hat – zwei Kinder im schulpflichtigen Alter, aber auch ein 3-jähriges Kind.

Weitere Gerichte bestätigen: Schulabsentismus kein Grund für Inobhutnahme & Sorgerechtsentzug

Am 26.02.2023 urteilte auch das OLG Karlsruhe (Az.: 5 UF 188/22). Das Amtsgericht entzog per Beschluss den Eltern das Sorgerecht. Das OLG hob den Beschluss auf, weil der Grund für den Sorgerechtsentzug, nämlich beharrliche Weigerung der Eltern, den Sohn in die Schule zuschicken, nicht mehr vorhanden war. Begründung des OLG:

Mildere Mittel sind dem Sorgerechtsentzug vorzuziehen.

Im Fall von Stefanie Dresp erfolgten Sorgerechtsentzug und Inobhutnahme auch der dreijährigen Tochter, während die beiden schulpflichtigen Mädchen die Schule besuchten. Eines der Mädchen wurde mit Hilfe von Gerichtsvollzieher und Polizei in der Schule in Obhut genommen.

Schon vor der Corona-Krise hat das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 25.7.2018 (AZ.: 2 UF 18/17) klargestellt, dass Schulverweigerung und Homeschooling nicht zwingend Kindeswohlgefährdung sind. Zu einem anderen Urteil zu kommen, dürfte ohnehin seit der Corona-Krise kaum mehr möglich sein, da der Staat in dieser Zeit gezeigt hat, dass Erfüllung der Schulpflicht nicht allem, schon gar nicht sozialen Kontakten in Kita und Schule, vorrangig ist. Auch hat die Regierung zu jeder Zeit jegliche Verantwortung allein an die Eltern delegiert und allen Kindern Umsetzung der Schulpflicht verweigert. Mehr dazu im Artikel: Schulpflicht & Die Doppelmoral.

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