Schulalltag Corona – Kommentar einer Lehrerin
Liebe Leserinnen und Leser, ich komme nicht umher, unter dem Titel „Schulalltag Corona“ einen persönlichen Kommentar über die Situation an Schulen während der Coronazeit zu schreiben. Wir alle sind froh, dass endlich wieder Normalität eingekehrt ist. Doch was diese Zeit mit dem Schulalltag und den Schülern machte, ist zu schnell in Vergessenheit geraten und im Fall der drei Töchter von Frau Dresp wegen Schulabsentismus in keiner Weise von Jugendamt Herford, Familiengericht Herford und Gutachterin berücksichtigt worden. Mehr dazu in der Kategorie „Inobhutnahme Herford„.
Schulalltag Corona – Kommentar einer Grundschullehrerin
Zu meiner Person: Ich bin Grundschullehrerin an einer Grundschule und derzeit Klassenlehrerin einer 4. Klasse. Dem Jahrgang, in dem sich die älteste Tochter von Frau Dresp aktuell befindet. Ich habe die Klasse vorletztes Jahr in der 3. Klasse übernommen. Es ist ein Jahrgang, der durch die Coronazeit mit am schwersten betroffen war.
Ich habe während der Coronazeit an sieben Tagen in der Woche gearbeitet, um im Sinne der Schüler das schulische Lernen zu ermöglichen und psychische Probleme, die sich durch die lange Zeit der Schulschließungen ergeben haben, nach bestem Gewissen abzufangen. Um Ihnen einen Eindruck zu geben, was in der Zeit bei Familien und Schülerinnen und Schülern während dem „Schulalltag Corona“ los war, fasse ich ein paar Erinnerungen für Sie zusammen.
Schulalltag Corona – für alle eine extreme Belastung
Während der Schulschließungen hatten wir Kinder, die aus sogenannten „bildungsnahen“ und umsorgten Elternhäusern kamen, die psychische Probleme entwickelten. Dann gab es Kindern aus sogenannten „bildungsfernen“ Elternhäusern, die wir kaum noch erreichten, die technische Ausrüstung fehlte und eine Anbindung an die Schule sich über längere Zeit schwierig gestaltete. Es wurden oft Unterrichtsmaterialien gar nicht bearbeitet, es gab keinen Rücklauf oder wir erreichten sie schlichtweg nicht. In Elternhäusern mit mehreren Kindern gab es meist nur ein technisches Gerät und die Eltern waren schlichtweg mit der Arbeit und simultanen Betreuung der Kinder ausgelastet.
Homeschooling & Präsenzunterricht – beides problematisch
Wir hatten schließlich eine Phase, in der die Kinder entweder im Wechselunterricht oder später auch wieder in gesamten Klassen unterrichtet werden konnten. Dieser Umstand hat zu einer Entspannung auf der einen Seite, jedoch zu neuen Problemen auf der anderen Seite beigetragen.
Testungen in der Schule
Die Kinder wurden ab einem bestimmten Zeitpunkt täglich oder 2-3x die Woche durch Schnelltests getestet. Das klingt zunächst erst einmal nicht weiter schwierig, einfach jeder ein Stäbchen in die Nase und alles fein. Was man unterschätzt, war die Angst der Kinder entweder positiv getestet zu werden oder als Kontaktperson der positiv getesteten Kinder zu gelten. Es gab viele Tage, an denen wir positive Testergebnisse in den Klassen hatten und der gesamte Schultag für das Management draufging. Diese Situation war für uns Lehrer schwer, aber noch eine viel größere Belastung für die Kinder.
So ein Schultag sah dann meist folgendermaßen aus
Die Kinder mussten isoliert, getröstet und die Eltern kontaktiert werden. Gleichzeitig musste man sich über die neuen Bestimmungen informieren, die sich ständig änderten und was sogar bei den best informiertesten Kollegen und Kolleginnen und der Schulleitung für offene Fragen sorgten.
Wir Lehrer mussten im Anschluss an die Primärversorgung durch die Klassen gehen und nach den aktuellen Bestimmungen Kontaktpersonen ausfindig machen, die ebenfalls isoliert und abgeholt werden mussten. Auch die Eltern mussten angerufen und abgeholt werden.
Dann musste das Gesundheitsamt erreicht und die Daten übermittelt werden. Da die Gesundheitsämter dauerhaft überlastet waren, war das meist schon ein hoffnungsloses Unterfangen. Ich erwähne dieses Prozedere nicht, um aufzuzeigen, wieviel wir Lehrer in der Zeit geleistet haben, sondern um die Möglichkeit zu schaffen, sich in die Schülerinnen, Schüler und Eltern hineinzuversetzen.
Unterricht war an solchen Tagen kaum möglich und die Kinder waren trotz aller Bemühungen Sicherheit und Ruhe auszustrahlen, überfordert und verunsichert. Unter den Kindern entstanden mannigfaltige Ängste und Sorgen, die keinen normalen Schulalltag mehr möglich machten.
Schulalltag Corona: Masken im Unterricht
Das Thema Masken zu tragen, haben wir alle sehr ernst genommen, schließlich war es der beste Schutz davor, sich gegenseitig anzustecken. Bei kleinen Kindern gestaltete sich das Unterfangen jedoch durchaus problematisch.
Fast alle Kinder hatten Schwierigkeiten, einen ganzen Schultag durchgängig die Masken zu tragen. Als Lehrer war man durchgängig damit beschäftigt, die Kinder daran zu erinnern, doch bitte wieder die Masken aufzusetzen und den vorgegebenen Abstand einzuhalten. Mit normaler Unterrrichtsgestaltung und einem positiven Erleben des Schulalltags hatte das nichts zu tun.
Wir Lehrer trugen ebenfalls Masken, so dass auch unsere Stimme sich nicht immer gut im Klassenraum übertrug. Die Kinder verstand man teilweise nicht und es war schwierig sich gegenseitig zuzuhören und zu kommunizieren. Die Aufforderung doch bitte lauter zu sprechen gehörte zu den permanenten Aufforderung, ebenso die Aufforderung die Maske bitte wieder hochzuziehen. Hinzu kam, dass man die gegenseitige Mimik nicht mehr sah, weder konnten die Kinder erkennen, ob ich lächelte, noch konnten sie einander durch Mimik ihre Gefühle übermitteln.
Hat man diesen ungewöhnlichen und belastenden „Schulalltag“ nicht selbst erlebt, kann man kann sich nur vorstellen, was das mit einem Kind macht, das, wie die älteste Tochter von Frau Dresp, neu in eine Klasse kommt und in der man weder die Mitschüler, noch die Lehrer kennt. Da sitzen lauter Kinder und Lehrer, deren Gesichtszüge man nur in den kurzen Essens- und Trinkpausen und während der Hofpausen erkennen und deuten kann. Das erschwerte jede Kontaktaufnahme und das sich Annähern neuer Schulkameraden.
Klassenraum lüften – Schulalltag Corona
Wir Lehrer hatten die Auflage, in kurzen Abständen quer zu lüften. Im Winter saßen wir in sehr kalten Klassenräumen, mit Winterjacken und Decken. Ich musste einmal einen Schüler darum bitten, seine Fausthandschuhe beim Schreiben auszuziehen. Dieses Beispiel verdeutlicht sinnbildlich, wie ungemütlich die Wintertage in der Schule waren. Es war streckenweise ein einziges Durchhalten. Viele Kinder waren in der Zeit krank.
Leistungsstand der Kinder im Schulalltag Corona
Als ich meine jetzige Klasse in der 3. Klasse übernahm, musste ich zunächst Lernstandserhebungen machen, um die Lücken der Kinder zu erfassen. Meine Schulkinder hatten in den ersten zwei Schuljahren zudem so unregelmäßig Unterricht gehabt, dass sich noch gar keine Klassengemeinschaft entwickelt hatte und viele Regeln erst eingeübt werden mussten. Das soziale Miteinander entwickelte sich durch viele Gespräche und die verstärkte Einsetzung des Klassenrats. Die Eltern kannten sich nur teilweise und nicht persönlich.
Lernstandserhebung der Gutachterin laienhaft & falsch
Um den Leistungsstand der Kinder zu erfassen, benutzen wir Lehrkräfte standardisierte Tests. Ich hebe hier nochmal deutlich hervor, dass der Einsatz standardisierter Test die einzige Möglichkeit darstellt, eine Lernstandsdiagnostik und somit Leistungsstände und Defizite zu erfassen.
Wie die Gutachterin im Falle der Töchter von Frau Dresp die Lernlücken und den Leistungsstand der Kinder erfasst haben möchte, ist nicht nachvollziehbar.
Das Vorgehen der Gutachterin war nicht nur laienhaft und falsch, sondern war eine Kompetenzüberschreitung sondergleichen. Hierüber habe ich im Beitrag „Lernstandsdiagnostik“ genaueres ausgeführt.
Lernstandserhebung – nur durch standardisierte Tests möglich
Über standardisierte Tests kann man die erworbenen Kompetenzen der Kinder hingegen sehr gut erfassen und Lücken genauer eingrenzen. Wie nicht anders zu erwarten, sind bei vielen Kindern durch den unregelmäßigen Unterricht während der Coronazeit erhebliche Lücken und Defizite entstanden.
Auch die älteste Tochter von Frau Dresp war sicherlich von den zwei Schulwechseln in kurzer Zeit und der gesamten Schulsituation während der Coronazeit verunsichert und im Leistungsbereich, wie es gar nicht anders zu erwarten wäre, betroffen.
Wir Lehrer hatten in den Zeiten von Wechselunterricht oder Regelunterricht mit vielen Kindern zu tun, die entweder psychische Probleme entwickelten oder über längere Strecken der Schule fernblieben. Ein sensibler Umgang mit der Gesamtsituation war unser stetiges Anliegen. Die Kinder mussten zunächst aufgefangen und wieder an die Schule gewöhnt werden, viele Hilfen hierfür geleistet werden.
Nachklang von Corona verlangt Fachkräften mehr Verständnis für Familien ab
Es ist für mich nicht im Ansatz begreifbar, wie die Situation von Frau Dresp und ihren Kindern nicht in die Gesamtproblematik der Coronazeit eingebettet wurden. Die älteste Tochter musste in kurzer Abfolge zweimal die Schule wechseln und sich auf neue Kinder und neue Lehrkräfte einstellen. Sie ist in der zuletzt benannten Schule im Distanzunterricht dazugestoßen, der dann in den Wechselunterricht, mit allen zuvor genannten Problemen, wechselte.
An dieser Stelle bleibt mir nur der Appell an alle Helfersysteme freundlicher und wohlwollender auch mit manifestierten Schulängsten und Schulunlust in dieser Zeit umzugehen. Es braucht Geduld und Zeit, bis sich Kinder und Eltern wieder fangen und Vertrauen entwickeln und sich eine Situation normalisiert. Betoffene Familien, vor allem Familien mit mehreren Kindern, brauchten in dieser Umbruchphase verstärkt unsere Unterstützung und Verständnis. Das ist unsere Aufgabe, sie wieder einzufangen und Ihnen Vertrauen und Sicherheit zu geben.
Mit diesen Worten beende ich nun meinen einzigen persönlichen Kommentar zum Thema „Schulalltag Corona“ und hoffe, dass Sie einander freundlich und helfend begegnen.
Krasse Geschichte. Mein Sohn hat als Jahrgangsbester im ersten Corona Jahr die Schule abgebrochen nach den Sommerferien, weil er die Situation in der Schule übel fand. Hat dann seine Ausbildung begonnen, beste Entscheidung. Als Mutter kann ich das alles nachvollziehen. Drücke der Mutter die Daumen, das das bald ein Ende hat. Herzliche Grüße aus NRW
Vielen Dank im Namen des Teams
Was ist mit diesen Erwachsenen los, dass sie so mit Kinderseelen verfahren? Das liest sich völlig irre! Meine Frau und ich haben selber drei Kinder mit einem großen Freundeskreis. In der Corona Zeit blieb vieles auf der Strecke und es gab überall Probleme mit der Schule. Unser Jüngster wurde 2020 eingeschult, seine ganze Klasse hatte es mit voller Wucht getroffen. Vor allem das Schreiben lernen fiel der Altersgruppe schwer. War alles andere als ein normaler Anfang der Schulkarriere und hatte unserem Sohn die Lust auf Schule verhagelt. Wo bleibt das Verständnis für die Kinder? Thomas
Hallo! Was die Lehrerin hier schreibt, dem kann ich komplett zustimmen. Corona war eine schlimme Zeit, auch für meine Kinder eine Herausforderung und dabei machten die nicht so das durch, was die Kinder der Mutter hier durchgemacht haben. Das hier lesen zu müssen. Hätte nie gedacht, wie schlimm das mit den Jugendämtern alles ist. Was läuft mit den Richtern und Richterinnen eigentlich falsch. Spätestens die müssen doch merken, was da abläuft. Oder haben die keine Ahnung, wie man solche Testverfahren macht?
Marion P.